Ich nehme euch heute mit auf eine Zeitreise: Ich war etwa 15 Jahre alt, lebte am Land, irgendwo im Speckgürtel Wiens, in einem Dorf mit nur 600 Einwohner*innen. Meine ganze Familie wohnt dort bis heute in einem Umkreis von weniger als zehn Kilometer voneinander entfernt. Dementsprechend eng fühlt sich das Verhältnis meiner Familie auch an. Nun also treten wir die Reise an, zurück in die Zeit vor meinem Umzug nach Wien und dem Abstand, den ich dadurch zu meiner Familie gewonnen habe:
Eines Tages, ich war gerade zu Besuch bei meiner Oma, berichtete sie mir von einem neuen Esstisch, den sie und mein Opa sich gekauft hatten. Bisher hat die Familie, sie ist recht überschaubar, an den Küchentisch gepasst. Als knapp ein Jahr zuvor mein kleiner Cousin auf die Welt gekommen ist, wurde es dann aber um einiges enger. In meinen Augen nicht so eng, dass meine Großeltern deshalb gleich einen zwei Meter langen neuen Tisch kaufen hätten müssen.
Aber genau das haben sie getan.
Tja, es vergingen einige Wochen, bis ich das nächste Mal bei ihnen aufgeschlagen bin. Ich marschierte ins Wohnzimmer und knallte just gegen das Ungetüm an neuen Esstisch, das den halben Raum einnahm.
Meine Oma, stolz auf ihren Kauf, stellte sich neben mich und schaute mich erwartungsvoll an. Was sie hören wollte, konnte ich nicht sagen – ich war 15, Esstische waren mir kurz gesagt einfach egal. Die grinst, bevor sie den nächsten Satz sagt: „Jetzt haben wir auch wieder genug Platz für deinen Freund, wenn du dann einmal einen mitbringst.“
Zurück im Jetzt finde ich diese Aussage lustig, auch wenn ich das damals nicht behaupten hätte können. Es sind mittlerweile rund zehn Jahre vergangen. Der besagte Freund, für den der Esstisch gekauft wurde, ist bisher nicht aufgetaucht. Meine Oma und auch der Rest der Familie ist mittlerweile enttäuscht bis resigniert. Ob der Tisch eine Fehlentscheidung war? Naja, meine Oma zelebriert ihn als Tafel für Festtage. Den Rest des Jahres bleibt er unbenutzt. Aber immerhin haben wir zu Weihnachten jetzt immer ausreichend Platz zum Sitzen.
Schreikrampf: Eine Alltagskolumne von The Mole Vanessa